In schnellen kreisenden Bewegungen rühren die vier jungen Frauen vom Fröbelseminar ihre Schokoladenmixtur um. Alle Zutaten sind bio und Fair Trade. „Mir fehlt noch (Vollrohr-, d.Red.) Zucker“, stellt Vanessa fest. Und Paula führt sich ihren vor flüssiger Schokolade tropfenden Finger in den Mund und leckt ihn ab. Ihr ist es noch zu süß. Sie und ihre Sitznachbarin Annalena fügen mehr Kakao hinzu. Gerade hat Workshop-Teamerin Marina Rose erklärt, die Mischung müsse eine Konsistenz haben wie Waffelteig, dann sei sie gut. Zuvor hatten die 18 Teilnehmenden im Alter von 18 bis 40 Jahren durch ein heißes Wasserbad in Metallbechern Kakaobutter zerschmolzen. „Wenn Ihr das flüssig habt, gibt es einen Trick. Erst den Zucker, dann das Milchpulver und zuletzt den Kakao hinzufügen“, hatte Rose angeleitet. Schließlich füllen die Teilnehmenden die Masse in muffinähnliche, aber kleinere Papierförmchen. Im Kühlschrank kann die selbstgemachte Schokolade fest werden. Fröbelschülerin Lou: „Es schmeckt nicht so richtig süß, aber eigentlich ganz lecker.“ Ihre Kreationen dürfen alle am Ende mit nach Hause nehmen.
Nicht nur selbst Schokolade stellen die angehenden Erzieher*innen im „Fairen Schokoladenworkshop“ vom Verein Karibu e.V. im Seminarraum der benachbarten Kinder- und Jugendbibliothek am Morgen des 10. Julis her. Zum Beispiel können sie zu Beginn den Karibu-Verkaufsraum erkunden und anhand von auf dem Boden ausgebreiteten Öko- und Fair Trade Siegeln und Logos sich austauschen und erfahren, was es damit auf sich hat. Sie sehen zwei Filme über Schokoladen-Herstellung und Kinderarbeit im Kakaoanbau. Auch rekonstruieren sie anhand von Kärtchen in den Rollen von fiktiven Personen mit spezifischen Aufgaben vom Anbau über Verarbeitung bis zum Handel die Lieferkette von der Kakaofarm bis zum Supermarkt, indem sie sich entsprechend nebeneinander aufstellen, nacheinander vortreten und ihre Arbeit vorstellen. Etwa: „Ich heiße Marion Schneider und arbeite für einen Schokoladenhersteller. Wir machen aus den Kakaobohnen die begehrte Schokomasse. Das machen nur ganz wenige Firmen.“
Erfrischend wechseln Marina Rose und Nina Schulze die Methoden und führen souverän durch die drei Stunden der didaktisch (das Lehren und Lernen betreffend) sinnvoll aufeinander aufbauenden Workshop-Bestandteile. Dabei wird es auch durchaus emotional, weil für die Teilnehmenden erschreckend, wie sie später selber sagen: Sie erfahren durch einen Film vom 15jährigen Kindersklaven Daniel aus Burkina Faso, der seit er zehn ist, auf Kakaoplantagen schuftet. Eine Schule hat er nie von innen gesehen. Sein Besitzer, ein Kleinbauer, hat kein Geld, um einen Erwachsenen zu bezahlen. Murmeln in der Gruppe. Die Kinder, die auf der Plantage arbeiten, klagen über Rückenschäden, Kopfweh von Pestiziden und kommen auch künftig nie raus aus dem Armutskreislauf, weil ihnen die Bildung fehlt. Als das Filmteam Daniel und einem weiteren Kinderarbeiter Schokolade anbieten, essen sie diese zum ersten Mal in ihrem Leben. Eine Teilnehmerin wischt sich still die Tränen aus den Augen. Nach dem Film fragt Schulze: „Was ist Euch aufgefallen? Warum müssen Kinder arbeiten?“ Darüber tauschen sich die Teilnehmenden in Tischgruppen aus. Eifriges Stimmengewirr liegt im Raum.
„Wir wollen das Bewusstsein schärfen, dass man die Wahl hat, welche Schokolade man isst“, erklärt Rose hinterher im Hinblick auf den Unterschied von konventionell hergestellter Schokolade und der aus fairem Handel. Dieser ermöglicht den an der Schokoladen-Herstellung Beteiligten existenzsichernde Löhne und ihren Kindern, dass sie zur Schule gehen können. In der großen Runde sagt dann eine Teilnehmerin: „Es macht einen Unterschied, ob man das theoretisch weiß, oder ob man mit einzelnen Geschichten konfrontiert ist.“ Es gehe auch um größere Sachen: Industriestandards. Den betroffenen Eindrücken setzen die Teamerinnen dann jedoch Konstruktives entgegen: Im zweiten Film geht es um fair produzierte Schokolade von der Bohne bis zum Endprodukt. Angefangen bei einer 500-köpfigen Kakao-Kleinbäuer*innenkooperative in Sao Tomé in Afrika über den Anbau von Vollrohrzucker in Asien bis zur Alpenmilch aus dem Berchtesgadener Land: Alles biozertifiziert und von der Gepa fair entlohnt.
Am Ende erfragt Rose ein Stimmungsbild per ausgestrecktem Daumen von der Gruppe. Alle heben sie hoch. In auszufüllenden Feedbackbögen wird es differenzierter: „Sehr gut gefallen hat mir: Es war informativ. Die Vortragsweise war sehr angenehm. Das Schokolade selbst herstellen.“ Heißt es da. Oder: „Bemerkenswert ist für mich, dass der Weltladen von Ehrenamtlichen betrieben wird, es so viele regionale Produkte gibt und (im Negativen) die Kindersklaverei.“ „Gelernt habe ich, über die Unterstützung der Kakaoarbeiter mehr nachzudenken“, schreibt ein anderes Gruppenmitglied.
Auch Rose und Schulze sind mit ihrem Workshop sehr zufrieden und freuen sich über die Rückmeldungen. Für sie war es erst das zweite Mal, dass sie das Seminar durchgeführt haben. Denn ihre Bildungsarbeit wird erst seit kurzem finanziert vom Bundesministerium für Entwicklungsarbeit. Kosten diesmal für die Teilnehmenden: Drei Euro pro Person für die Schokoladenzutaten.
Warum Karibu Bildungsarbeit macht? Wolfram Dawin, Vorstand vom Verein Karibu e.V.: „Mal flapsig ausgedrückt, um Leute zu überzeugen, Waren zu kaufen, die teurer sind, als unbedingt nötig. Denn so ist es möglich, die benachteiligten Arbeiter*- und Kleinbäuer*innen des globalen Südens zu unterstützen. Das Thema ist nie durch.“
Für 2024 plant die Bildungs-AG vom Verein Karibu e.V. noch rund zehn Workshops zum neu aufbereiteten Thema Kakao sowie Fair Fashion (Faire Mode) unter anderem mit Talkshow. Teilnehmen können 15 bis 22 Personen. Buchbar sind die Veranstaltungen über bildung@karibu-kassel.de . Dort auch bitte die Kosten erfragen. Für 2025 sind außerdem Workshops zu Ernährungssouveränität geplant.