„Was ist denn noch an Kisten auf Susannes Hochbett?“, das war, erinnert sich Karibu-Mitgründerin Susanne Denzel lebhaft, ein Running-Gag aus der Anfangszeit von Karibu. Damals hatte die zehnköpfige Gruppe zwar einen Stand in der Markthalle. Aber kein Lager für die Produkte. So saßen sie auf dem Fußboden bei ihr zu Hause versammelt und glichen die Lieferscheine mit den Bestellungen ab.
Doch der Reihe nach. Die Idee zu einem neuen Weltladen in der Innenstadt entstand in einer Eine-Welt-Arbeitsgruppe, die sich wiederholt in der Kommune Villa Locomuna traf. Helga Tewes war eine der Teilnehmenden dieser Gruppe. Es entstand eine Planungsgruppe Weltladen, zu der auch Susanne Denzel bald dazu stieß. Tewes und Denzel kannten sich aus ihrer gemeinsamen Arbeit im Flüchtlingsbereich und als Freundinnen. Die heutige Rentnerin warb Denzel für die Idee an, den fairen Handel in Kassel durch einen weiteren Laden voranzubringen. „Wir waren der Meinung, dass der Weltladen in die Innenstadt gehört“, blickt Tewes zurück. Am 17. Januar 2008 bildeten die sieben dafür notwendigen Mitglieder Susanne Denzel, ihr Lebenspartner Kurt Berghöfer, Helga Tewes, Franziska Zimmermann-Hartz (damals dabei für den Kasseler Fair Trade Lieferanten Aprosas), Veronika Güntner, Hanna Bielefeld-Hart und Freweini Araya den Verein Karibu-Kassel e.V.. Vorstand wurden Araya, Berghöfer und Tewes. Als Namen für den Verein wählte die Gruppe „Karibu“ – „Willkommen“ auf Kisuaheli. Das fand sie passend. Die Beteiligten wollten mit dem Verein sowohl Bildungsarbeit machen, als auch regionale Produzent*innen fördern und natürlich den fairen Handel. „Wir wollten auch einen Ort haben, wo wir politisch diskutieren können“, erzählt Keramikerin und Sozialpädagogin Denzel. Den bekam die Gruppe zunächst in Gestalt eines Raumes im Umwelthaus und dann im CVJM (Christlicher Verein junger Menschen) über das Karibu-Mitglied und dortige Mitarbeiterin Gabriele Dumeier. Der Laden startete mit zwei Vitrinen und ein paar Stunden Öffnungszeit freitags und samstags. In einem Kellerschrank des CVJM wurde nachts die Kasse eingeschlossen und auch mal aufgebrochen.
Suche nach Geschäftsräumen schwierig
Um Mitarbeitende zu werben, feierte das Team zwei Weltladenfeste im Umwelthaus. „Wir hatten auch schon mehrere Läden ins Auge gefasst. Die waren aber alle entweder zu teuer oder zu klein“, berichtet die studierte Sozialpädagogin Tewes. „Die Oberste Gasse war unser erster Laden und eröffnete am 22. Januar 2010.“ Bis dahin machte Karibu aber noch einmal 2,5 Jahre Zwischenstation in der Markthalle. Dort bekam die Gruppe 15m² Stand für einige Monate umsonst. Später bezahlten sie eine kleine Miete. Ein Roland, nach langen Jahren mit Frau zurückgekehrt aus Tansania, „war wie so´n Engel, der auftauchte, anpackte und uns 1000 Euro lieh. Er hat uns beim Einrichten und Renovieren des Stands geholfen. Nachdem wir ihm das Geld zurückgezahlt hatten und der Stand in der Markthalle angelaufen war, verschwand er wieder“, erzählt Denzel mit leicht schwäbischem Dialekt.
„Wir haben uns am Anfang nicht wirklich getraut“, weiß ihre Kollegin noch. Deshalb habe ihnen die Markthalle geholfen. „Da haben wir gelernt zu bestellen.“ Auch, wie man einen Dienstplan aufstellt und bei circa 15 Ehrenamtlichen und nur zwei Schlüsseln deren Übergabe organsiert. Die Gruppe besuchte außerdem viele Seminare. Sowohl über Kaffee und Tee als auch Ladengestaltung und Sortiment. In einem Seminar lernten sie außerdem, dass Passanten zählen eine Strategie bei der Ladensuche ist. Denn Letzteres sollte helfen zu entscheiden, einen profitträchtigen Verkaufsraum zu finden. „In der Markthalle haben wir dann den Himmelsstürmer-Kaffee eingeführt“, fährt sie fort. Die Karibus hatten bereits Kontakt zum regionalen Kaffeeröster und späteren Röstrausch-Gründer Georg Ruhm (1. v. l.). Überlegten gar, die Rösterei und den Laden zusammenzulegen. Das verwarfen die Beteiligten aber „zum Glück, wenn man sieht, wieviel Platz Georg braucht,“ so Tewes. Und Denzel: „Wir wollten Fair Trade, Bio und Stadtkaffee in einem haben.“ Daher entwickelten Tewes (Mitte), Berghöfer (2. v. l.), Claudia Daß und Ruhm den Kasseler Himmelsstürmer-Kaffee. Oberbürgermeister Bertram Hilgen (1. v. r.) durfte dann auf einer kleinen Bühne im Eingangsbereich der Markthalle die orangene Mütze über der Kaffeeverpackung lüften und diesen miteinführen. „Orange ist die Farbe der Weltläden“, erklärt Denzel. Und erinnert sich noch, dass jemand vom Staatstheater die Veranstaltung moderierte. Selbst das hr-Fernsehen mit seiner Sendung „Herkulesmagazin“ nahm sich des Themas an. Für den Dreh musste Ruhm zwanzig Mal mit dem Kaffee angelaufen kommen und Tewes am Regal stehend überrascht tun: „Da ist der Georg mit dem Himmelsstürmer-Kaffee“, erinnert sie sich schmunzelnd.
Genossenschaft trägt Laden
Noch bevor Karibu in die Markthalle zog, gründete das Team am 7.10.2009 eine Genossenschaft. Das passte. Denn von einem gemeinnützigen Verein als Träger des Weltladens riet das Finanzamt sehr ab. Dagegen sind im fairen Handel Kooperativen oft Genossenschaften, ebenso Lieferanten. Franziska Zimmermann-Hartz, Helga Tewes und Kurt Berghöfer wurden in den Aufsichtsrat gewählt. Den Vorstand bildeten Claudia Daß und Gabriele Dumeier, Beisitzende waren Melanie Hau und Denzel. Die erklärt: „Wir Aktiven waren sowohl im Verein als auch in der Genossenschaft.“ Heute sei es differenzierter. Mitarbeiterversammlungen hätten immer privat stattgefunden. Anfangs weiwöchentlich. Dann monatlich.
Nach zwei Jahren war der ehemalige Hochzeitskleiderladen in der Obersten Gasse zu vermieten. „Die Lage sagte uns nicht zu“, berichten Tewes und Denzel für Karibu. „Aber bei der Besichtigung hat er uns gut gefallen.“ Der Vermieter sei freundlich gewesen. „Er hat uns ein gutes Angebot gemacht und wollte uns als Mieter*innen.“ Die Passantenzählung ergab dann wenig Laufkundschaft. Doch die Karibus erhofften sich Zustrom aus der naheliegenden Fußgängerzone. Auch durften sie in einem naheliegenden Geschäft dort Werbung machen. Und Vorbeilaufende können den Laden von der Königsstraße aus sehen. Also wandten sich die Mitarbeitenden an eine Bank, um einen Kredit auszuhandeln. Dafür bürgten sie mit ihrem Privatvermögen. Auch konnten zunehmend mehr Genossenschaftsmitglieder angeworben werden, und Mitglieder erhöhten ihre Anteile. Das Team gründete eine Planungsgruppe. Eine Designerin machte Entwürfe für den Laden. Regale bekam die Gruppe günstig aus Alt-Beständen der GEPA, die zunächst im Keller des ehemaligen Alnatura (BIO-Laden) zwischengelagert wurden. Die Firma Trackcase baute Theke und Regalbretter. „Wir haben gestrichen und gebohrt, Stromleitungen verlegt. Und das alles mit einer überschaubaren Gruppe von acht Leuten“, weiß Tewes. Drei Monate ackerten sie, bis alles stand. Obendrein gründete sich auch noch eine Bestellgruppe, um den Laden auszustatten. Keramikerin Katrin Apel töpferte das Geschirr für den Cafébereich.
Am 28. Februar 2013 habe es dann eine riesengroße Eröffnungsfeier gegeben. Mit Musik von der Brassband Blech und Schwefel und mitsamt den regionalen Lieferanten Annli Lattrich (Postkarten und Jahreskalender), Georg Ruhm (Röstrausch), Annette Zimmermann (Kräuterfrau aus Grebenstein) und Katrin Apel. Das Team besuchte in dieser Zeit auch oft Lieferant*innen. Einmal bei der Kellerei von Joachim Döhne in Schauenburg. „Er hat uns erklärt, wie man Apfelchampagner herstellt. Da durften wir in großer Runde auch diverse Schnäpse probieren“, erinnert sich die Weltladenmitgründerin mit der ruhigen Ausstrahlung an eine Anekdote. Das sei sehr lustig gewesen. „Wir waren froh, dass wir mit dem Bus nach Hause fahren konnten.“ Zum einjährigen Fest an diesem Standort konnte wiederum der damalige Oberbürgermeister Bertram Hilgen gewonnen werden, der die karamellige „Kasselänerin“ „anbiß“ beziehungsweise zum ersten Mal präsentierte! Diese Schokolade mit dem markanten – durch Karibu entworfenen Logo mit den Kassel-Motiven – gehört inzwischen zu den „Rennern“ im Sortiment.
Karibu politisch und kulturell unterwegs
Die Gruppe zeigte sich darüber hinaus sehr diskutierfreudig. Nicht nur brachten sie Auseinandersetzungen um Dinge wie Farbgestaltung des Ladenraums und wo die Theke stehen sollte, laut Tewes an die eigenen Grenzen. Kollegin Denzel berichtet auch von einer Polit AG aus der Anfangszeit, die primär über Projekte und Lieferant*innen diskutierte. Und gegenüber letzteren hätten sie Widersprüche im fairen Handel kritisiert. Etwa, wenn ein großer Lieferant ein Produkt im Vertrieb übernahm, das zuvor ein kleiner Lieferant verkauft hatte. Außerdem „gab es Veranstaltungen, schon bevor wir den Laden hatten, um Geld dafür reinzubekommen“, so Tewes. Glanzlicht dabei ein Abend mit Kochgeschichten aus Afrika, gelesen vom Kasseler Opernsänger Theodor Hoffmeyer in der Buchhandlung am Bebelplatz. Dazu gab´s Geigenmusik, gereichte Gerichte aus Karibu-Produkten wie Mango-Zwiebel-Chutney und Zitronen-Safran Reiskugeln und eingespielte Musik vom und Infos zum Senegalesischen Musiker Youssou N´Dour.
„Wir würden den Laden nochmal gründen“, erklärt sie. „Er ist für uns Alten ein zweites Zuhause, Identität und Heimat.“ Die Gründungsleute, die noch da sind, seien alle befreundet. Langjährig mit von der Partie sind noch Silvia Kulle-Battermann (ebenfalls eG-Gründungsmitglied), die ehemalige Geschäftsführerin Ellen Müller (jetzt noch in der Deko-Gruppe aktiv) sowie Ex-Genossenschafts-Vorständin Gabriele Dumeier (springt immer wieder ein, etwa beim Adventsmarkt Waldorfschule). Und die Ziele von einst? „Kassel ist jetzt Fair Trade Town. Dafür haben wir von Anfang an mit der Stadt Kontakt aufgenommen“, stellt Denzel fest. „Wir haben viel (Fair Trade Produkte, d.Red.) verkauft.“ Und es habe regen Austausch mit den Lieferant*innen gegeben. So hat sie mit ihrem Lebensgefährten die Kooperative ISUNA zwei Mal in Südafrika besucht. Diese produziert farbenfrohe Becher, Schalen und Untertassen mit Tiermotiven. Karibu sammelte Spenden, und Denzel und Berghöfer übergaben diese persönlich. Auch hat sich der Laden an Kampagnen innerhalb und außerhalb des Weltladengeschehens beteiligt. Zuletzt setzte er sich mit anderen gegen den Fortbetrieb des Flughafens Kassel Calden ein. Nicht zu vergessen ist die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Kampagnenarbeit, die weiterhin vom Verein angeboten werden.