Über Klimagerechtigkeit umfassend referiert hat die Nachwuchswissenschaftlerin und Karibu-Mitarbeiterin Hanna Pohlmann im Rahmen der Fairen Woche im September in Karibu. Worum es dabei ging, können Sie im folgenden Interview lesen.
Am Schluss Deiner Präsentation zu Klimagerechtigkeit schreibst Du als Fazit, dass es wichtig ist, ein gutes Leben zu erreichen für alle. Wie kommen wir dahin?
Es gibt viele verschiedene kleine Initiativen, die im Rahmen des fairen Handels etwas machen, um Klimagerechtigkeit zu erreichen. Das muss in allen gesellschaftlichen Sphären passieren. Damit von vielen kleinen Perspektiven ausgehend etwas zum großen Ganzen kommen kann. Nicht nur im fairen Handel, sondern bei der Mobilität, im Gebäudesektor, in der Landwirtschaft, in der Bildung und in vielen anderen Bereichen.
Wie definierst du Klimagerechtigkeit überhaupt?
Das ist ein altes Konzept. Es geht darum, dass die Menschen, die für den Klimawandel verantwortlich sind, auch wirklich die Verantwortung tragen. Gerade nimmt die Klimakrise insbesondere im globalen Süden sehr schlimme Ausmaße an. Dort gibt es viele Extremwetterereignisse, und die dortigen Infrastrukturen sind schlecht auf die Klimaanpassung vorbereitet. Allerdings wurde die Klimakrise aber hauptsächlich hier im globalen Norden verursacht und durch global agierende Unternehmen. Sie müssen eigentlich auch die Verantwortung dafür tragen.
Was sind die Ursachen für die zugrunde liegende Klimakrise?
Die Ursachen sind sehr vielschichtig. Sie basieren auf unserem Weltwirtschaftssystem, Normen und Werten, die sich schon seit Jahrhunderten weiterformen. Das fängt schon beim Kolonialismus im 15. 16. Jahrhundert an. Da wurde der Grundstein für die Handelsmuster gelegt, die wir heute haben. Das hat damit angefangen, dass europäische Länder versucht haben, Territorien im globalen Süden einzunehmen, dort die Strukturen auszubeuten, Metalle abzubauen, Erze, Lebensmittel, die hier nicht bekannt waren. Dadurch hat sich ein globales Ungleichgewicht gebildet. Auf dem basiert bis heute unser Wohlstand, unser Wirtschaftswachstum. So entstehen sehr viele CO2-Emissionen. Und das weitet sich aus. Denn heutzutage streben alle Menschen danach, so zu leben, wie das Menschen hier in Europa oder in Nordamerika tun. Wir haben so ein Ideal davon, dass wir möglichst viel konsumieren, alle einen Fernseher besitzen, ein Auto, dass wir viel in den Urlaub fahren, dass wir Fleisch essen, wir einen möglichst angesehenen Job haben, in dem wir viel verdienen.
„Es kann so nicht weitergehen.“
Was hat es mit der Klima-Rahmenkonvention und den Bali-Prinzipien auf sich?
Das ist zum einen ein Gremium der Vereinten Nationen. Die ersten Gipfel dazu gab es in den 1990er Jahren. Da wurde 1992 diese Definition von Klimagerechtigkeit verabschiedet und es wird jedes Jahr ein Klimagipfel durchgeführt. Der letzte, sehr wichtige war in Paris in 2015. Dort hat jedes Land Handlungsvorschläge bekommen, die es erfüllen soll. Das wird immer wieder überprüft durch den IPPC. Diese Organisation der UN muss immer wieder Rechenschaft ablegen, was schon erreicht wurde. Und die Bali-Prinzipien gibt es seit 2002: Sie sind auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg entstanden. Da waren besonders die zivilgesellschaftlichen Organisationen weltweit sehr gut vertreten. Das war ein Gegenentwurf zu diesen offiziellen Veranstaltungen der UN, wo deren Perspektiven nur marginalisiert wurden. Die durften da auftreten, aber sie wurden nicht gehört. Deswegen haben sie dann diesen alternativen Gipfel gemacht, um auf die Situation aufmerksam zu machen und diese Prinzipien zur Klimagerechtigkeit, wie z.B. das Recht indigener Völker und betroffener Gemeinschaften, sich selbst zu vertreten und für sich selbst zu sprechen, zu verabschieden.
Wie hängen Handel und Klimagerechtigkeit zusammen?I
Ich hatte schon die Handelsmuster erwähnt, die durch den Kolonialismus entstanden sind. Dann gibt es sehr mächtige Staaten oder Staatengruppen auf der Welt wie die EU oder die Vereinten Staaten. In der letzten Zeit haben sich auch die BRICS-Staaten herausgeformt. Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die da auch eine Stellung einnehmen wollen und das Handelsgeschehen beeinflussen möchten. Ich kann jetzt nur gut von der EU-Ebene ausgehen, weil ich da mal ein Seminar zu besucht habe in der Uni zu den EU-Handelsprinzipien mit afrikanischen Staaten und karibischen Staaten. Da ist es so, dass die Wertschöpfung in den Ländern total unterbunden wird. Sie sind immer noch Rohstofflieferanten von zum Beispiel Kaffee, Kakao oder anderen Gütern, die dann erst hier in Europa weiterverarbeitet werden. Die Handelsabkommen werden von dieser Seite entsprechend geformt, dass das so bleibt. In manchen afrikanischen oder karibischen Ländern sind vielleicht auch die Regierungen korrupt. Und die Infrastruktur für die Weiterverarbeitung ist nicht so gut ausgebaut.
„Weltladen vertritt Prinzipien der Klimagerechtigkeit.“
Was gibt es noch?
Zum Beispiel, dass der Transport der Waren per Schiff, am besten sogar Segelschiff, erfolgt und nicht im Flugzeug, dass man dann auch hier in Europa klimaschonende Infrastrukturen nutzt, wie Züge oder Ökostrom . Da tut der faire Handel schon eine ganze Menge.
Du hast jetzt eben das Stichwort Transport schon erwähnt. Es gibt ja verschiedene Ebenen, die Einfluss haben auf die Klimagerechtigkeit oder Ungerechtigkeit: Verpackung, Transport, Produktion und gesellschaftspolitische Ebenen spielen da noch mit rein. Wie sieht das im Einzelnen im Moment aus?
Ich finde, gerade spielt Klimagerechtigkeit in der Gesellschaft keine allzu große Rolle. Es hat in 2019 eine sehr große Rolle gespielt mit den aufkommenden Demonstrationen von Fridays for Future. Viele Städte in Deutschland haben gesagt, dass sie klimaneutral werden möchten. Sie haben einen Klimanotstand ausgerufen. Es wurde eine Bundesregierung gewählt unter der Beteiligung der Grünen. Da war dieses Thema aktuell. Durch die weltweiten Krisen wie die Corona-Pandemie, den Russland-Ukraine-Konflikt und den Aufstieg der Rechten sieht man, dass sich diese Problematik verlagert. Und dass dieses Klimathema gerade nicht bespielt wird auf bundespolitischer Ebene. Es versuchen natürlich Klimagruppen und andere gesellschaftspolitische Gruppen, das immer wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Aber es gelingt gerade nicht so richtig. Klima wird schon in vielen Organisationen und auch Unternehmen gedacht, aber es wird eher auf Klimaneutralität bezogen. Da hat man leider keine Gerechtigkeitskomponente drin, weil Prozesse, die klimaschädlich sind, dann vielleicht ausgelagert und Anleihen gekauft werden. Also Geld dafür bezahlt wird, dass woanders Bäume gepflanzt, Patenschaften eingegangen werden.
„Weniger konsumieren.“
Welche Kämpfe haben Betroffene zum Beispiel ausgefochten, um mehr Klimagerechtigkeit zu erreichen?
Es gibt dieses schöne Beispiel vom Yasunido Nationalpark in Ecuador. Es gibt im Amazonasgebiet einen großen Nationalpark, wo sehr viel Biodiversität herrscht. Da wurden dann aber irgendwann Ölquellen gefunden. Man hat, glaube ich, Anfang der 2000er damit angefangen, dort Ölbohrungen zu machen, die Infrastruktur dafür aufzubauen. Die indigene Bevölkerung und andere Gruppen haben sich dagegen gewehrt. Es sollte dann ein internationaler Fonds aufgesetzt werden, wo alle Länder dieser Welt einen Anteil haben und darin einbezahlen, damit Ecuador kein Öl mehr fördert. Letztendlich war aber nicht genug Geld in diesem Fond. Dann hat die ecuadorianische Regierung weiter Öl gefordert. Die Umweltbewegung hat versucht, das über ein nationales Referendum zu lösen. Es kamen aber immer wieder Rückmeldungen von der ecuadorianischen Regierung, dass es formale rechtliche Fehler gebe. 2023 gab es sehr viele Unruhen im Land. Der Präsident wurde schließlich abgewählt, und es kam zu Neuwahlen. Es gab endlich, 20 Jahre später dieses Referendum. 60 oder 65 Prozent der Bevölkerung haben dafür gestimmt, dass da kein Öl mehr abgebaut wird. Jetzt müssen diese ganzen Ölraffinerien abgebaut werden.
Was kann jeder Einzelne hier tun für mehr Klimagerechtigkeit?
Man kann natürlich diesen ganzen individuellen Sachen folgen. Also weniger zu konsumieren. Wieviel brauche ich wirklich zum Leben? Das fängt bei Klamotten und bei Lebensmitteln an. Und geht dazu, wie viele Urlaubsreisen im Jahre mache ich? Wo gehen die hin? Was nutze ich dafür? Dann kann man natürlich schauen, wo wohne ich? Wie viel Quadratmeter beanspruche ich eigentlich für mich? Nutze ich ein Auto oder was nutze ich, um zur Arbeit zu kommen?
Man sollte auch nicht vernachlässigen, dass man auf gesellschaftspolitischer Ebene ganz viel machen kann. Das fängt dabei an, dass man Petitionen unterstützt. Man kann sich in einem Laden wie dem Weltladen engagieren oder bei anderen Einrichtungen oder Initiativen. Man kann zu Demos gehen. Man kann versuchen, auch bei dem Unternehmen oder bei der Organisation, wo man arbeitet, zu schauen, was für einen Kaffee trinke ich da eigentlich? Ist das Kopierpapier Recyclingpapier? Wie machen wir unsere Dienstreisen? Und wenn man Kinder hat: Wie sieht es in der Kita oder in der Schule aus? So kann eigentlich jeder irgendwas im Kleinen dafür tun, um die Welt ein bisschen gerechter zu machen.
Quelle Titelfoto: Fairtrade Deutschland