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Jetzt erst recht! Fairer Handel wichtiger denn je
Pressekonferenz des Forums Fairer Handel

Jetzt erst recht! Fairer Handel wichtiger denn je

So titelte das Forum Fairer Handel (FFH) in der Pressemitteilung (kursiv) zu seiner Jahres-Pressekonferenz im Juli. Darin bilanzierte das FFH positiv bis kritisch, wie sich das letzte Geschäftsjahr im Fairen Handel entwickelt hat:

Berlin, 24.07.2025 – 2024 war wirtschaftlich ein gutes Jahr für den Fairen Handel in Deutschland:

Mit einem Plus von 11 Prozent erreichte der Gesamtumsatz mit Produkten aus Fairem Handel einen neuen Höchstwert von rund 2,6 Milliarden Euro. Dieser beruht vor allem auf höheren Absatzmengen bei zentralen Produkten wie Kaffee und Schokolade – und das trotz hoher Rohstoffpreise. „Fairer Handel steht für Verlässlichkeit in Krisenzeiten und für soziale sowie ökologische Verantwortung entlang globaler Lieferketten. Angesichts von Klimakrise, wachsender Ungleichheit und gesellschaftlicher Spaltung ist das heute wichtiger denn je“, erklärt Andrea Fütterer (links im Bild), Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel (FFH), anlässlich seiner Jahrespressekonferenz.

„Die Zahlen des Geschäftsjahres 2024 zeigen: Fairer Handel bleibt gefragt – sogar in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten“, so Matthias Fiedler (rechts im Bild), FFH-Geschäftsführer. So wuchs der Umsatz mit Fairtradegesiegelten Produkten im vergangenen Jahr um 13 Prozent. Die anerkannten Fair-Handels-Unternehmen konnten eine Umsatzsteigerung von rund 9 Prozent verbuchen. Die Weltläden und Weltgruppen in Deutschland konnten ihren Gesamtumsatz im Vergleich zu 2023 halten – den schwierigen Bedingungen im stationären Einzelhandel zum Trotz. Durchschnittlich 31 Euro gaben die Verbraucher*innen in Deutschland 2024 (im gesamten Jahr, d. Red.in) für faire Produkte aus. Ein Blick auf benachbarte europäische Länder wie die Schweiz, Österreich und Frankreich zeigt jedoch, dass hier noch viel Luft nach oben ist.

Politischer Rückhalt für nachhaltige Lieferketten und globale Gerechtigkeit im Minus

„Während die Absätze der wichtigsten Produktkategorien im Fairen Handel allesamt gestiegen sind und die Unterstützung für Themen der Nachhaltigkeit in der Bevölkerung wächst, gibt es von politischer Seite wieder starken Gegenwind“, konstatiert Andrea Fütterer. „Ein Beispiel: Die Lieferkettengesetze in Deutschland und der EU sind wichtige Meilensteine für die Durchsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten, doch sie stehen aktuell massiv unter Druck“, warnt Matthias Fiedler. Und zwar – das sei hier ergänzt, weil die Idee, dass die Menschheit von Deregulierung profitiert, leider ein wirtschaftspolitisches Revival erfährt. So will die Bundesregierung das Lieferkettengesetz bundes- wie europaweit kippen. Auch die EU-Staaten haben sich geeinigt, es zu lockern. Dann soll es nur noch Unternehmen mit 5000 und mehr Beschäftigten betreffen, statt wie jetzt ab 1000 Beschäftigte und zudem nur noch den/die unmittelbaren Geschäftspartner*in. Mehr unter diesem Link sowie im Abspann zum Herbstnewsletter. Fiedler entgegnet: „Verantwortungsvolles Unternehmertum darf nicht als bürokratisches Hindernis abgetan werden, sondern muss als das begriffen werden, was es ist: die Verpflichtung von Unternehmen, Menschenrechte und ökologische Standards einzuhalten. Das geht nur, wenn alle mitmachen und deshalb braucht es starke Regeln für Unternehmen.“ Und stellte auf der Pressekonferenz fest, Deregulierung habe noch nie etwas gebracht im Sinne von globaler und sozialer Gerechtigkeit.

Machtkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel schadet Produzent*innen

„Zu diesen starken Regeln gehören auch politische Weichenstellungen, um die Machtkonzentration in Lieferketten und im Lebensmitteleinzelhandel zu begrenzen und eine faire Verteilung der Wertschöpfung zu ermöglichen“, betont Fiedler. Viele Produzent*innen im Lebensmittelsektor sind von wenigen Abnehmern abhängig und häufig unlauteren Handelspraktiken und Preisdrückerei ausgesetzt. Dies ist beispielsweise auch im Kaffeesektor der Fall. Zwar profitieren die Produzent*innen derzeit von einem hohen Weltmarktpreis für Kaffee. Doch an ihrer prekären Stellung in der konventionellen Lieferkette hat sich nichts geändert. „Unsere Handelspartner wünschen sich für die Zukunft vor allem mehr Stabilität und größere Absätze über den Fairen Handel“, erläutert Andrea Fütterer. „Und sie wünschen sich die ideelle und finanzielle Anerkennung der großen Anstrengungen und Mehrleistungen, mit denen sie zu Umweltschutz, Ernährungs- und Zukunftssicherung für uns alle beitragen.“

Blick nach vorn – jetzt erst recht

Trotz der Herausforderungen bleibt der Blick nach vorn gerichtet. „Unsere Branche zeigt tagtäglich, dass faires Wirtschaften möglich ist“, so Fütterer. „Aber es braucht mehr: Mehr zukunftsfähige Politik, mehr Unterstützung für gemeinwohlorientierte Unternehmen und mehr Orte, an denen gerechter Wandel konkret erlebbar wird.“

Die „zukunftsfähige Politik“ erörtert Pressesprecherin Katrin Frank (Bild-Mitte) auf Nachfrage: „Um die Ziele zu erreichen, arbeiten wir in breiten Bündnissen, wie etwa dem Bündnis Konzernmacht beschränken, der IniFair, der Initiative Lieferkettengesetz sowie VENRO und der Klima-Allianz. Hier ein paar Beispiele, an welchen Stellschrauben wir im Rahmen der Bündnisse derzeit drehen: Beim Themenkomplex „Marktmacht und Produzent*innen stärken“ begleiten wir gerade den Prozess der Monopolkommission, ein Sondergutachten zum Lebensmittelhandel zu erstellen. Unser Ziel hierbei ist, dass das Bundeskartellamt eine Sektoruntersuchung einleitet. Diese ist Voraussetzung für eventuell weitergehende kartellrechtliche Maßnahmen in diesem Sektor. Zudem begleiten wir die Evaluierung der EU-Richtlinie zu unlauteren Handelspraktiken und versuchen zudem mit politischen Entscheidungsträger*innen in Deutschland über die Vereinbarungen der Bundesregierung im Koalitionsvertrag zu unlauteren Handelspraktiken ins Gespräch zu kommen. Zum Thema Nachhaltigkeitsregulierung ist derzeit die Hauptaufgabe gemeinsam mit der Initiative Lieferkettengesetz sowie unseren Bündnispartnern auf EU-Ebene die Verwässerung des EU-Lieferkettengesetzes sowie auch anderer Nachhaltigkeitsregulierungen zu verhindern.“ Die schon einige Monate alten, aber noch aktuellen Forderungen des FFH finden Sie auch hier.

Aber nicht nur das Forum Fairer Handel ist aktiv. Auch Sie können es sein und werden. Denn wie Andrea Fütterer auf der Pressekonferenz im Juli sagte: „Fairer Handel ist auch Politik mit dem Einkaufskorb.“

Ausführlichere Informationen und alle wichtigen Zahlen enthält die Broschüre „Aktuelle Entwicklungen im Fairen Handel 2025“, welche wir anlässlich unserer Jahrespressekonferenz veröffentlichen. Die wichtigsten Zahlen und Fakten fasst das Factsheet „Auf einen Blick: Aktuelle Entwicklungen im Fairen Handel“ auf zwei Seiten zusammen. Die Broschüre dazu finden Sie hier. Und eine mittellange Fassung gibt es hier zu lesen.

Über das Forum Fairer Handel

Das Forum Fairer Handel e.V. (FFH) ist der Verband des Fairen Handels in Deutschland. Sein Ziel ist es, das Profil des Fairen Handels zu schärfen, gemeinsame Forderungen gegenüber Politik, Wirtschaft und Handel durchzusetzen und eine stärkere Ausweitung des Fairen Handels zu erreichen. Diese Arbeit ist am Leitbild einer sozial-ökologischen Transformation sowie der Vision eines gerechten Welthandels und eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems mit den Prinzipien des Fairen Handels als Standard ausgerichtet. Das FFH erhebt jährlich umfangreiche Daten zu Umsätzen und Absatzmengen des Fairen Handels, aus denen sich aktuelle Trends und Entwicklungen des Fairen Handels in Deutschland ablesen lassen. Einmal im Jahr veranstaltet das Forum Fairer Handel die Faire Woche – die größte Aktionswoche des Fairen Handels in Deutschland.

Die Mitglieder des Forum Fairer Handel sind Organisationen, die ausschließlich im Fairen Handel arbeiten, und Akteure, die die Förderung des Fairen Handels als einen der Schwerpunkte ihrer Arbeit ansehen: die Fair-Handels-Unternehmen GEPA – The Fair Trade Company, EL PUENTE, WeltPartner eG, BanaFair e.V. und GLOBO – Fair Trade Partner; der Weltladen-Dachverband e.V., außerdem Naturland – Verband für ökologischen Landbau e.V. sowie der FAIR BAND – Bundesverband für fairen Import und Vertrieb e.V. Weitere assoziierte Mitglieder bereichern die Arbeit des FFH mit ihren Erfahrungen, Meinungen und ihrer Fachkompetenz in Bezug auf Fairen Handel. Ein breites Netzwerk von Partnerorganisationen arbeitet in den Arbeitsgruppen des Forum Fairer Handel mit.